Hoch- und niederenergetische Flächen: Wie wirkt sich das auf die Klebeband-Wahl aus?

Die Unterscheidung zwischen hoch- und niederenergetischen Oberflächen ist wichtig, weil nicht alle Materialien gleich gute Voraussetzungen für Verklebungen bieten. Vereinfacht gesagt: Je höher die Oberflächenenergie ist, desto einfacher ist die Verklebung. Das muss wiederum bei der Auswahl des passenden Klebebands berücksichtigt werden.

Wir zeigen, welche Eigenschaften hoch- und niederenergetische Flächen besitzen, welche Materialien das betrifft und geben Ihnen Tipps zur Auswahl der richtigen Klebebänder für niedrig- und hochenergetische Flächen.

Was bedeuten hoch- und niederenergetische Oberflächen?

Die Einordnung nach hoch- und niederenergetischen Flächen bezieht sich auf die Oberflächenenergie bzw. die Fähigkeit einer Oberfläche, mit anderen Materialien zu interagieren. Die Oberflächenenergie trifft eine Aussage dazu, wie groß die Anziehungskräfte der Materialmoleküle untereinander sind und wie hoch die Anziehungskraft zu Molekülen anderer Materialien ist. 

Die Einstufung, ob eine Oberfläche niedrig- oder hochenergetisch ist, hat demnach großen
Einfluss auf das Haftverhalten eines Klebebands:

Hochenergetische Oberflächen (High Surface Energy – HSE)

  • Hochenergetische Oberflächen haben eine hohe Oberflächenenergie, was bedeutet, dass sie leicht mit anderen Materialien interagieren können.
  • Diese Oberflächen sind oft polar und weisen eine hohe Affinität für Wasser und andere polare Substanzen auf.
  • Typische hochenergetische Materialien sind Metalle wie Aluminium, Zink, Kupfer oder Edelstahl.

Niederenergetische Oberflächen (Low Surface Energy – LSE)

  • Niederenergetische Oberflächen haben eine niedrige Oberflächenenergie und weisen
    eine geringere Affinität für andere Materialien auf.
  • Diese Oberflächen sind oft nicht polar und weisen eine niedrige Benetzbarkeit auf,
    insbesondere durch polare Flüssigkeiten wie Wasser.
  • Typische niederenergetische Materialien sind Kunststoffe wie Polyvinylchlorid (PVC), Polytetrafluorethylen (PTFE) oder Silikon.

Die Einheit der Oberflächenenergie ist N/m oder dyn/cm (1 dyn/cm = 1 mN/m)

Wie wird die Oberflächenenergie ermittelt?

Wie hoch die Oberflächenenergie eines Werkstoffs ist, wird über dessen Benetzbarkeit
ermittelt, mit Wassertropfen oder Tinten.

Während sich die Flüssigkeit bei hochenergetischen Stoffen schnell flächig ausbreitet, zieht
sie sich bei niederenergetischen Oberflächen zusammen und bildet Tropfen. Es entsteht
kein konstanter Film bzw. keine konstante Benetzung, selbst wenn die Oberflächen völlig
sauber sind.

Dadurch wird natürlich auch die Benetzbarkeit des Klebstoffs erschwert – er kann sich nicht
auf der Oberfläche ausbreiten und so auch keine große Kontaktfläche bilden, um eine starke
Verbindung zu erzeugen. HSE-Substrate fördern also die Benetzung des Klebstoffs,
während LSE-Substrate die Benetzung verhindern.

Da die Oberflächenenergie des Substrats die Stärke der Anziehung bestimmt, ist sie einer der wichtigsten Aspekte beim Kleben.

Werkstoffe mit mittlerer Oberflächenenergie

Genaugenommen werden Materialien nicht nur in die beiden Kategorien hoch- und
niederenergetisch eingeordnet. Denn zwischen einer perfekten Benetzung und Wasser, das
perfekt kugelförmig auf der Oberfläche bleibt, gibt es beim Verhalten der verschiedenen
Materialien eine große Bandbreite.

Deshalb werden Materialien mit einer Oberflächenenergie von etwa 35 bis 300 dyn/cm
meist als Stoffe mit mittlere Oberflächenenergie (engl. Medium Surface Energy – MSE) eingestuft.

Stoffe mit mittlerer Oberflächenenergie sind z.B.:

  • technische Kunststoffe
  • Holz
  • Beton
  • Stein
  • Keramik
  • Glas

Welches Klebeband muss man für nieder- und hochenergetische Flächen verwenden?

Geeignete Klebstoffe für Kunststoffe

Klebstoffe auf Acrylatbasis haften besonders gut auf zahlreichen Kunststoffen und härten unter Einfluss von UV-Licht schnell aus. Je geringer die  Oberflächenenergie, desto schwieriger ist jedoch die Verklebung und schränkt die Auswahl an geeigneten Klebebändern stark ein.

Eine gute Lösung liefern hierfür doppelseitige Acrylatschaum-Klebebänder aus geschlossenzelligem Acrylatklebstoff. Damit erhalten Sie ein relativ weites Spektrum an Produktlösungen verschiedener Hersteller, um auch besonders anspruchsvolle Flächen, z.B. aus PP oder PE verkleben zu können.

Doppelseitige Acrylatschaum-Klebebänder bieten folgende Vorteile:

  • können Kräfte gut absorbieren
  • sehr anpassungsfähig
  • sind dauerhaft resistent gegen Zug-, Scher-, Spalt- und Schälkräfte
  • dämpfen Vibrationen
  • gleichen unterschiedliche, materialabhängige Temperaturausdehnungen aus

Die Acrylatschaum-Klebebänder eignen sich auch sehr gut für die Verbindung Materialien mit unterschiedlicher Oberflächenenergie, z.B. Kunststoff-Metallverbindungen. Daher bieten diese Produkte auch ein breites Anwendungsfeld in der Automobilindustrie, z.B. für:

  • Montage von Autospiegeln oder Reflektoren
  • Verklebung von Zierleisten, Seitenschutzleisten oder Blenden
  • Verklebung von Kunststoffverkleidungen

Eine Alternative für die Verklebung kritischer Untergründe wie PP oder PE sind Klebebänder auf Kautschuk-Basis. Sie liefern zugleich eine gute Anfangsklebkraft und die Möglichkeit der Wiederablösbarkeit.

Klebe-Basics – Ratgeber zum Kleben

Doppelseitige PSA-Klebebänder für niederenergetische Flächen

Beim PSA-Klebstoff handelt es sich um einen druckempfindlichen Klebstoff. PSA-Klebebänder sind dünne Bänder, die auf beiden Seiten mit Klebstoff überzogen. Sie sind als Transferklebebänder und doppelseitige Klebebänder erhältlich und beinhalten auch spezielle Formulierungen für die Verklebungen auf niederenergetischen Flächen PSA-Bänder eigen sich vor allem für ebene, glatte Flächen und werden u.a. für folgende Anwendungen eingesetzt:

  • Smartphones und Flachbildfernseher
  • Flachdichtungen
  • Blenden
  • Verpackungen

Produktempfehlung für PSA-Klebebänder: Die 3M Klebstoffserie 200MP wird häufig für MSE-Substrate bevorzugt, die Serie 300LSE für MSE- und LSE-Substrate. Die Hochleistungs-Acrylatklebstoffe der Serie 100MP werden hingegen in erster Linie für HSE-Substrate eingesetzt.

TIPP!

Nicht nur die Oberflächenenergie bestimmt über die Wahl des passenden Klebstoffs/Klebebands – letztlich spielen immer mehrere Faktoren zusammen, sodass die Entscheidung von der spezifischen Anwendung abhängt.

Verbesserung der Haftung niederenergetischer Flächen durch Vorbehandlung

Die Vorbehandlung oder Aktivierung von Oberflächen, beispielsweise durch Plasmaprozesse oder das Aufbringen von Haftvermittlern, kann ebenfalls die Haftung von Klebebändern auf niederenergetischen Oberflächen verbessern.

Vor der Verklebung müssen die Kunststoffe in jedem Fall staubfrei, fettfrei und trocken sein. Achten Sie bei der Reinigung aber darauf, dass die Kunststoffe nicht von den Reinigungsmitteln angegriffen werden. Zusätzlich zur Reinigung ist eine Aktivierung der Fläche mit einem Haftvermittler sinnvoll, um die Adhäsion zu verbessern.

Die Vorbehandlung der Kunststoff ist grundsätzlich mit mechanischen, chemischen und physikalischen Mitteln möglich. Detaillierte Infos dazu finden Sie in unserem Ratgeberbeitrag „Klebeflächen vorbereiten – Tipps und Step-by-Step Anleitungen“.

Fazit

Die Unterscheidung zwischen hoch- und niederenergetischen Oberflächen ist entscheidend für die richtige Wahl von Klebeband und Klebstoff.

Hochenergetische Oberflächen wie Metalle bieten eine einfache Klebstoffbenetzung und ermöglichen eine breite Auswahl an Klebstoffen. Hingegen erfordern niederenergetische
Oberflächen, insbesondere Kunststoffe, eine sorgfältige Auswahl spezieller Klebebänder und Klebstoffe.

Letztendlich ist die Auswahl des geeigneten Klebebands und Klebstoffs jedoch immer von mehreren Faktoren abhängig und sollte immer auf die spezifischen Anforderungen der Anwendung zugeschnitten sein.

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